Ungeduld des Herzens. by Stefan Zweig

Ungeduld des Herzens. by Stefan Zweig

Author:Stefan Zweig [Zweig, Stefan]
Language: deu
Format: epub
ISBN: 9783100970466
Amazon: 3100970462
Publisher: Fischer
Published: 2002-01-01T23:00:00+00:00


»Nein, so geht's nicht«, äußerte er schließlich betrübt, ohne den Kopf zu heben. »Am besten, Herr Leutnant, ich schick den Chauffeur in die Kaserne und laß einen anderen Rock holen. So können Herr Leutnant nicht ausgehen. Aber verlassen sich Herr Leutnant darauf, in einer Stunde ist alles getrocknet und ich bügel die Hose gleich sauber auf.«

Er konstatierte das alles scheinbar bloß fachmännisch beflissen. Aber ein anteilnehmender und etwas bestürzter Ton klang verräterisch mit. Und als ich ihm bedeutete, nein, das sei gar nicht nötig, er solle lieber um einen Wagen telephonieren, ich wolle ohnehin gleich nach Hause, da räusperte er sich unvermutet und hob seine guten, etwas müden Augen bittend empor.

»Bitte, wollten Herr Leutnant noch ein bißchen bleiben. Es wäre schrecklich, wenn Herr Leutnant jetzt fortgingen. Ich weiß bestimmt, das gnädige Fräulein würden sich furchtbar aufregen, wenn Herr Leutnant nicht noch etwas warteten. Jetzt sind Fräulein Ilona noch bei ihr ... und ... haben sie zu Bett gebracht. Aber Fräulein Ilona hat mir aufgetragen, zu sagen, sie käme gleich, Herr Leutnant möchten unbedingt sie abwarten.«

Gegen meinen Willen war ich erschüttert. Wie alle doch diese Kranke liebten! Wie jeder sie verzärtelte und entschuldigte! Unwiderstehlich fühlte ich das Bedürfnis, diesem gütigen alten Mann, der, von seinem eigenen Mut bestürzt, wieder auffallend emsig an meiner Bluse herumputzte, etwas Herzliches zu sagen; so klopfte ich ihm leicht auf die Schulter.

»Lassen Sie nur, lieber Josef, es steht nicht dafür! Bei der Sonne trocknet so was rasch weg, und ich hoffe, Euer Tee ist nicht stark genug, um einen anständigen Fleck zu machen. Lassen Sie's nur, Josef, klauben Sie lieber das Geschirr auf. Ich wart schon, bis Fräulein Ilona kommt.«

»Oh, wie gut, daß Herr Leutnant warten!« Er atmete förmlich auf. »Und Herr von Kekesfalva werden auch bald zurück sein und sich gewiß freuen, den Herrn Leutnant zu begrüßen. Er hat mir ausdrücklich aufgetragen ...«

Aber da knisterte schon ein Schritt leichtfüßig die Treppe empor. Ilona war es. Auch sie hielt, ganz wie vordem der Diener, die Augen gesenkt, während sie an mich herantrat.

»Edith läßt Sie bitten, einen Augenblick hinunter ins Schlafzimmer zu kommen. Nur einen Augenblick! Sie bittet herzlichst darum, läßt sie Ihnen sagen.«

Wir gingen die Wendeltreppe zusammen hinab. Und sprachen kein Wort, während wir durch den Empfangsraum und das zweite Zimmer in den langen Gang gelangten, der offenbar zu den Schlafräumen führte. Manchmal berührten sich zufällig unsere Schultern in diesem dunklen Engpaß, vielleicht auch, weil ich so erregt und unruhig ging. Bei der zweiten Seitentür blieb Ilona stehen und flüsterte dringlich:

»Sie müssen jetzt gut zu ihr sein. Ich weiß nicht, was da oben vorgefallen ist, aber ich kenne diese plötzlichen Ausbrüche bei ihr. Wir alle kennen sie. Aber man darf's ihr nicht übelnehmen, wirklich nicht. Unsereins vermag sich's gar nicht auszudenken, was das heißt, immer so von morgens bis abends hilflos herumzuliegen. Da muß sich schließlich in den Nerven Unruhe aufstauen und einmal bricht's eben heraus, ohne daß sie's weiß oder will. Nur, glauben Sie mir, niemand ist nachher unglücklicher als die Arme. Gerade wenn sie sich derart schämt und abquält, muß man doppelt gut zu ihr sein.



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